„Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder neunte bis zwölfte Junge von sexueller Gewalt betroffen ist“, informierte Oberbürgermeister Sebastian Schrempp die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Informationsveranstaltung „Prävention von sexualisierter Gewalt bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“. Erschreckende Zahlen. Die Stadt Rheinstetten und der Gemeinderat haben daher vor kurzem die Vereinsrichtlinien erweitert, die bereits eine Teilnahme an der Landkreisinitiative zur Suchtprävention „7 aus 14“ beinhaltet. Für den Erhalt der Vereinsjugendförderung ist es daher ab sofort verpflichtend, eine Veranstaltung zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt an Kindern im 3-Jahres-Rhythmus zu besuchen und eine Vereinbarung zum Kinderschutz zu unterzeichnen. „Wir bitten Sie, die Augen offen zu halten und zu sensibilisieren – als Multiplikatoren in Ihrem Verein. Je mehr von uns sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt an schutzbefohlenen Kindern befassen, je mehr von uns sich trauen, genau hinzusehen, desto sicherer wachsen unsere Kinder auf“, so Schrempp weiter und dankte den Referentinnen und Referenten des Abends sowie allen Ehrenamtlichen für die Zeit, sich weiterzubilden.
Sarah Tornow, Geschäftsleitung des Kreisjugendring e.V. Landkreis Karlsruhe, moderierte die Veranstaltung. Zusammen mit dem Jugendamt des Landratsamtes und der Stadt Rheinstetten hatte der Kreisjugendring zu der mit rund 70 Teilnehmenden gut besuchten Veranstaltung eingeladen. Tornow freute sich über die Verankerung der Kinderschutzmaßnahmen in der Rheinstettener Satzung und hofft auf viele Nachahmer im Landkreis. „Wir möchten Sie heute über das Ausmaß und die Formen von sexueller Gewalt aufklären; wie Sie Anzeichen erkennen und an wen Sie sich wenden können“, führte Tornow in das Thema ein und stellte Irene Schuchart vom Landratsamt Karlsruhe vor, Kontaktstelle für den Kinderschutz im Ehrenamt.
Polizeihauptkommissar Simon Erhardt vom Polizeipräsidium Karlsruhe hielt den ersten Vortrag zum Thema „Wissen und Sensibilisierung als erster Schritt zur Prävention“. Er berichtete über Mythen und Fakten sowie über Formen von sexualisierter Gewalt, über Täterstrategien und auch über Auswirkungen auf die Opfer und deren Gefühle in Bezug auf das Geschehene. Der Vortrag gab Definitionen und erste Einblicke mit dem Ziel einer Sensibilisierung für den Umgang mit (betroffenen) Kindern und Jugendlichen. Ein Tipp von Erhardt lautete: „Erwachsene, die über ihr Unwohlsein bei zuviel Nähe sprechen, helfen Kindern, sich selbst zu äußern.“
Den zweiten Teil der Veranstaltung bestritt Rechtsanwältin Stephanie Vogt mit dem Vortrag „Opferschutz in der Praxis“. Sie gab einen Überblick über das Sexualstrafrecht, über Zeugenpflichten und Folgen einer Strafanzeige, aber auch viele Informationen zum Thema Opferrechte. Interessant für die Zuhörenden waren auch die empfohlenen Handlungskonzepte: Wie und wann sollte man die Eltern informieren? Wann informiere ich die Polizei? Wann sollte das Jugendamt eingeschaltet werden? Wo kann man Hilfe und Beratung holen?
Im dritten Vortrag von Jessica Roth, Präventionsfachkraft bei Wildwasser Karlsruhe e.V., ging es darum, „Wie sich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Verein sicher gestalten lässt?“. Sie zeigte auf, dass sexualisierte Gewalt oft gerade dort auftritt, wo ein vertrauensvolles Umfeld geschaffen werden kann. Sie informierte, welche Wege es zu einem Präventionskonzept in der Vereinsarbeit gibt und wie dieses aussehen kann, um die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sicher zu gestalten. Sie betonte die Sensibilisierung aller Verantwortlichen wie auch der Kinder und Jugendlichen, damit diese vor Grenzverletzungen geschützt werden können: „Kein Kind kann sich allein schützen, es braucht Ihre Unterstützung.“
„Ganz schön heftig, was man hier erfährt – aber total interessant!“, so die Reaktion einer Zuschauerin. Und ob es denn Vorlagen für Vereins-Schutzkonzepte gebe, wollte eine weitere Teilnehmerin wissen. Ja, die Bausteine eines Schutzkonzeptes gebe es auf der Wildwasser-Homepage, so Roth.
Insgesamt erhielten die Teilnehmenden einen Überblick über mögliche Handlungsstrategien, wie man mit Hinweisen umgeht, wie man mit einem Opfer ins Gespräch kommt und an wen man sich als Opfer, aber auch als Vertrauensperson wenden kann. Beratung und Unterstützung holen kann man sich bei einem kompetenten Ansprechpartner: Der Verein Wildwasser in Karlsruhe ist Anlaufstelle für Mädchen und bald auch für Jungen und bietet u. a. kostenlose Supervisionsabende an, bei denen Verdachtsfälle besprochen werden können. Ansprechpartner bei der Stadt Rheinstetten im Bereich Prävention ist Michael Reger, erreichbar per E-Mail oder telefonisch unter 07242 9514-336.