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Neujahrsgruß / Erklärung des Oberbürgermeisters Sebastian Schrempp zur aktuellen Lage

| Corona-Erklärungen-OB


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Passbild Oberbürgermeister Sebastian Schrempp

seit dem letzten Frühjahr hat sich vieles in unserem täglichen Handeln verändert. Anfangs als weit entfernte Erkrankung eingeschätzt, hatte uns das neuartige Corona-Virus aufgrund unserer globalen Vernetzung innerhalb kürzester Zeit voll im Griff. Das Virus zwingt uns seitdem weltweit, unser Verhalten zu ändern. Wir haben Lebensmittel und Toilettenpapier gehortet, Ängste ausgestanden und Verstorbene beklagt, während weltweit Gesundheitsexperten, Mediziner und Politiker um den besten Weg aus dieser Pandemie rangen. Maßnahmen wurden ergriffen, neue Wege beschritten, Diskussionen geführt und zahlreiche Entscheidungen unter Annahmen getroffen. Die Beschlüsse unterscheiden sich bis heute von Land zu Land, genauso wie sich die Bräuche, Sitten und Gewohnheiten von Kontinent zu Kontinent unterscheiden. Aber alle Länder dieser Erde eint das gleiche Ziel: Wir alle wollen der Ausbreitung des Virus gemeinsam entgegentreten und es soweit zurückdrängen, dass wir in vielen Bereichen unser "altes" Leben wieder unbeschwert leben können.

Weltweit lernen wir voneinander in dieser Pandemie, indem jeder auf den anderen schaut. Wie können Kontakte verlässlich nachverfolgt werden? Wie können wir eine sinnvolle Teststrategie bei uns umsetzen? Wie können wir unseren Alltag so ausgestalten, dass es zu möglichst wenigen Übertragungen kommt? Wie können wir eine Impfstrategie umsetzen, damit in kurzer Zeit alle geimpft werden können, die sich freiwillig zu einem solchen Schritt entschließen? Wie können wir den von der Pandemie hart getroffenen wichtigen Kulturbereich, unsere Gastronomie, unseren Handel oder das ehrenamtliche Wirken in unseren Vereinen vor existenziellen Nöten bewahren?

In den letzten Monaten haben wir die Länder dieser Welt auf so vielen Gebieten miteinander verglichen, wie es zuletzt auf dem Höhepunkt der Klassendiskussion zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Und wir sollten bei diesen Vergleichen nicht den damaligen Fehler wiederholen und nur in Schwarz/Weiß-Mustern denken. Das ist nicht einfach. Denn auch mir geht es so, dass ich bei den Vergleichen der Corona-Strategien der anderen Länder mit unserem Vorgehen oft zuerst nur die Dinge sehe, die dort gerade besonders gut aus meiner Sicht umgesetzt werden und meinem persönlichen Empfinden möglichst gerecht werden. Dabei ertappe ich mich immer wieder, wie ich so allerhand verkläre und ich muss mich immer wieder auf das Neue motivieren, genauer hinzuschauen. Will ich denn auch wirklich das "Komplettpaket" des anderen Landes haben oder fokussiere ich mich gerade nur auf einzelne Bausteine dort? Vielen Menschen geht es so, wenn ich meine Diskussionen mit Freunden und Bekannten über unsere Nachbarländer Revue passieren lasse. Wie oft sind wir auf die Niederlande, Luxemburg, Belgien oder die Schweiz im Sommer zu sprechen gekommen. Ein nachahmenswerter Weg wäre es doch, dieser Umgang mit der Pandemie. Keine Masken, fast alles offen - ein so schönes, ein so einfaches Leben muss dann doch auch bei uns in Deutschland möglich sein. Dann hatten diese Länder zwischenzeitlich die höchsten Fallzahlen in Europa, waren mitunter die ersten im Lockdown, die Gesundheitssysteme sind über das Leistbare belastet worden.

Oder wie oft haben wir über Schweden gesprochen. Alles offen, keinerlei Maßnahmen - anscheinend. Denn offene Restaurants und teilweise offene Schulen heißen nicht, dass es keinerlei Maßnahmen gibt. Auch dort gab es Gebote und Verbote, die unseren zum Teil sehr ähnlich sind. Vieles wird aber auch nur in Form von Empfehlungen ausgesprochen. Doch auch dort sind viele Einrichtungen geschlossen und größere Ansammlungen verboten. Ich muss mich eben mit dem Komplettpaket des jeweiligen Landes befassen und nicht nur mit den Restaurants, weil es mir in Deutschland missfällt, dass diese hier gerade nur außer Haus verkaufen dürfen.

Und nein, wir können auch nicht die in der Presse oft als Musterlösungen angepriesenen Methoden aus totalitären Staaten auf unser Land übertragen. Wochenlange Massenquarantäne ganzer Großstädte unter massivem Einsatz aller Staatsgewalt und eine zwangsweise Handyortung, das gibt es bei uns zum Glück nicht und ist auch rechtlich nicht möglich. Und wir können auch keine Inselstaaten ohne direkte Außengrenzen mit Ländern vergleichen, die auf dem Festland offene Grenzen zu mehreren Ländern auf einer Länge von mehreren tausend Kilometern haben.

Und die Gespräche heute? Die drehen sich jetzt um Länder wie Neuseeland oder Australien – vielleicht, weil es dort derzeit gut aussieht. Und weil wir uns wahrscheinlich nicht eingestehen wollen, dass wir damals einzeln herausgegriffene Vorzüge anderer Länder über das Komplettpaket unseres Landes gestellt haben.

So unterschiedlich die Länder auf unserer Welt sind, so unterschiedlich sind die Maßnahmen. Allesamt geprägt aus kulturellen, religiösen, gesellschaftspolitischen oder sozialen Besonderheiten der einzelnen Länder. Und was zu "Normalzeiten" gilt, muss auch jetzt gelten:
Es ist diese Unterschiedlichkeit der Länder mit der großen Kulturvielfalt, die unser Leben ausmacht. Es ist diese Unterschiedlichkeit - verbunden mit dem Reiz des Anderen -, die uns immer wieder dazu bringt, unseren Urlaub in anderen Ländern zu verbringen. Und die mich immer wieder gerne nach Hause kommen lässt, in meine Heimat. In meinen mir bekannten Kulturkreis zu Freunden und Bekannten.

Und so sollten wir auch jetzt jedem Land - auch unserem eigenen Land - seinen eigenen Umgang mit der Pandemie zugestehen. Denn das macht den Unterschied wirklich aus. Wie gehen wir mit unserer Familie, mit unseren Nachbarn, unseren Freunden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Handel, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und im Gesundheitswesen um? Wie unterstützen wir diejenigen, die aufgrund der Pandemie hart getroffen wurden, ohne die aus den Augen zu verlieren, die schon immer Unterstützung benötigt haben?

Das WIR macht dabei den Unterschied.

WIR haben im letzten Jahr erlebt, wie Unterstützung vor unserer Tür gelebt wurde und auch noch wird. Zahlreiche Hilfsangebote sind seitdem in unserer Stadt stärker aktiv als je zuvor. Viele neue sind über private Netzwerke, Vereine und Kirchen entstanden.
WIR haben eine einmalige Rücksichtnahme auf kranke, alte und besonders durch das Virus gefährdete Menschen erfahren dürfen, die bis heute anhält. Erst durch das Aushalten einschneidender Maßnahmen des größten Teils der Bevölkerung wurde dies möglich.
WIR haben auch die Erfahrung gemacht, dass es zwar nicht jeder, aber die meisten Menschen in unserem Land aushalten können, sich zurückzunehmen.
WIR haben gemeinsam die Erfahrung von Verletzlichkeit gemacht.
WIR haben gemeinsam über die Vereinsamung von Menschen gesprochen und sie damit in die Mitte unserer Gesellschaft zurückgeholt.
WIR haben gemeinsam erfahren können, wie sehr wir voneinander abhängig sind.
WIR haben erfahren können, dass sich viel mehr Menschen der Verantwortung gegenüber unserem Gemeinwohl bewusst sind, als wir es im Vorfeld dieser Krise vermutet haben.
WIR haben gemeinsam eine Diskussion begonnen, ob das "alte Normal" mit dieser Megabeschleunigung durch die Globalisierung, stetig steigendem Luftverkehr und der durch die digitale Vernetzung nie zur Ruhe kommenden Welt auf Dauer aushaltbar ist.
WIR haben erfahren können, was Familie, Freundschaft und Zusammenhalt für einen unermesslichen Wert darstellen.

Und auch das WIR im Umgang mit den Dingen macht den Unterschied, um die es einen Widerstreit gibt. Jeder von uns kann bei der Vielzahl an Maßnahmen, bei der Unmenge an Verordnungstexten mit Geboten und Verboten Dinge herauslesen, die einem aus seiner persönlichen Sicht unpassend erscheinen. Ich mache kein Geheimnis daraus, auch mir erscheinen Dinge unverhältnismäßig oder gar unzweckmäßig. Das spreche ich offen an und wäge es mit dem Großen und Ganzen ab. Und dann erscheint mir das meiste verhältnismäßig. Sehr verhältnismäßig sogar. Und dann gilt für mich auch in Pandemiezeiten, was in "normalen Zeiten" gilt: Auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was in der großen oder kleinen Politik beschlossen wird, so verstehe ich mich als ein Teil dieses Ganzen und bin durch mein Handeln auch in Zukunft bereit, Verantwortung für unsere Gemeinschaft zu übernehmen. Damit dieses Ganze, das WIR, unser Land auch weiterhin zu einem lebenswerten Ort macht. Für das Jahr 2021 lade ich Sie ein, weiterhin Teil dieses Ganzen zu sein.

Seien Sie auch im Jahr 2021 ein Teil unserer Vereinswelt, ein Teil unserer Nachbarschaft des guten Miteinanders, ein Teil unserer Kirchengemeinden, ein Teil unserer Kommunalpolitik, ein Teil unseres Bildungs- und Gesundheitswesens und unseres örtlichen Handels. Seien Sie weiterhin Teil unserer Stadtgemeinschaft, die unterschiedliche Meinungen aushält, die aufeinander zugeht und Verständnis für die Anliegen anderer aufbringt. Letzteres mindestens aber versucht.

Das Jahr 2020 war für uns alle nicht einfach. Uns allen wurde viel abverlangt, wir alle haben viel zusammen geleistet. Zu Hause bei der Pflege oder bei der Betreuung unserer Kinder, in unserer Freizeit oder in unserem Beruf. Dafür danke ich Ihnen, jedem einzelnen von uns, von Herzen. Ich denke auch an die Verstorbenen der Pandemie und die Menschen, die sich seit Ausbruch der Pandemie einsamer als je zuvor fühlen.

Ich kann nicht versprechen, dass im Jahr 2021 alles besser wird. Ich bin aber der Überzeugung: Es wird sich lohnen, wenn WIR gemeinsam die Herausforderungen des Jahres 2021 positiv angehen.

Schauen wir, dass wir unsere Stadtgemeinschaft in Vereinen, in Kirchen, im Freundes- und Familienkreis bald wieder so pflegen können, wie wir es mit Festen und Zusammenkünften von früher gewohnt sind. Bis es soweit ist, werden wir noch etwas Atem benötigen. Unterstützen wir uns gegenseitig auf den letzten Metern dabei, nicht aus der Puste zu kommen. Gemeinsam sind WIR stark. Vor "Corona", während "Corona" und nach "Corona". Und am Ende wird uns die Tragweite so mancher mutigen und schnellen Entscheidung bewusst werden, die wir heute noch nicht sehen. Ja, wir werden uns sicher das ein oder andere verzeihen müssen. Auf allen Seiten. Auf Seiten der Befürworter und auf Seiten der Kritiker von Maßnahmen. Auf Seiten der Politiker, auf Seiten der Presse, auf Seiten all derer, die alltäglich unser Land am Laufen halten. Seien wir hierzu bereit.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das neue Jahr. Und bleiben Sie gesund.

Herzlichst,
Ihr

Sebastian Schrempp


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