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Große Mehrheit des Gemeinderats Rheinstetten sieht Mängel in der Planfeststellung für Polder Bellenkopf/Rappenwört

| Aus dem Gemeinderat Polder


Informationsschild zum Polder Bellenkopf/Rappenwörth am Fermasee

Die überragende Mehrheit des Rheinstettener Gemeinderats hat eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Polder Bellenkopf/Rappenwört beschlossen. Nur die Fraktion der Grünen sah keinen Grund, gegen das von der grün-schwarzen Landesregierung betriebene große Bauvorhaben zwischen Au und Daxlanden gerichtlich vorzugehen.

Die Stadt Rheinstetten wird bei der Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim von Rechtsanwalt Dr. Rico Faller vertreten. Der Verwaltungsjurist von der Kanzlei Caemmerer & Lenz in Karlsruhe hatte erst 2019 einem großen Planungsvorhaben des Landes Baden-Württemberg zum Bau Windkraftanlagen „Blumberg“ und „Länge“ eine schwere juristische Niederlage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit bereitet.

Wie den Ausführungen von Dr. Rico Faller, dem früheren Bürgermeister und Wasserbauingenieur Dr. Bertold Treiber und dem Rheinstettener Umweltbeauftragten Martin Reuter zu entnehmen war, stehen auch bei der seit Anfang Februar öffentlich ausgelegte Planfeststellung für den Polderbau die Chancen für die Stadt Rheinstetten, in einzelnen Punkten eine Korrektur zu erreichen, nicht schlecht.

Formal hatte die Stadt Rheinstetten bereits am 10. März ihre Klage beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Jetzt aber ging es darum, ob der Gemeinderat wirklich in die Klagebegründung einsteigt. Dies wurde vergangene Woche bejaht. Der Schriftsatz dazu muss bis 19. Mai beim Verwaltungsgerichtshof vorliegen. Im Wesentlichen geht es bei den Klagegründen der Stadt Rheinstetten um drei Komplexe: Die Dammsanierung für das Gebiet am Rhein mit dem umstrittenen Vorhaben, für den Bau eines Hochwasserschutzdammes zehn Hektar Wald zu opfern, einen in dem neuen Poldergebiet vorgesehenen Probestau und schließlich das Thema ökologische Flutungen.

Die ersten beiden Vorhaben sollen selbst bei Naturschutzverbänden umstritten sein, während die ökologischen Flutungen Instrument für die Sehnsucht sind, die alte Rheinaue wiederherzustellen. Die Ausführungen Dr. Rico Fallers hinsichtlich der Chancen, Abänderungen zu erreichen, waren aber anderer Natur. Es ging ganz zentral darum, ob die Planfeststellungsbehörde fachlich die eingehenden Argumente sauber abgewogen hat oder aber schon von vornherein einseitig dem Bauherrn und Polderantragsteller Land Baden-Württemberg gefolgt ist. Faller kam zu dem Ergebnis bei seiner juristischen Prüfung, dass es in dem mehr als tausend Seiten umfassenden Planfeststellungsbeschluss an einer „Gesamtbilanzierung“ mangelt.

So sei teilweise mit komplett veralteten Daten gearbeitet worden. Die Artenschutzerhebungen seien teilweise 14 Jahre alt. „Das ist enorm alt“, so Faller. Zudem habe eine Art „Rosinenpickerei“ stattgefunden, um das vom Bauherrn gewünschte Ergebnis zu erzielen. So führen laut dem Umweltbeauftragten Martin Reuter die geplanten sog. Ökologischen Flutungen zu gravierenden negativen Folgen für zahlreiche besonders streng geschützte und bedrohte Tierarten. Dadurch sind für Artengruppen wie Amphibien, Libellen oder auch Wasservögel umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen außerhalb des Polders auf Grundstücken der Stadt Rheinstetten erforderlich. An keiner Stelle der Antragsunterlagen des Landes oder im Planfeststellungsbeschluss konnte ein tatsächlicher Nutzen der ökologischen Flutungen für die vorhandenen Arten und Biotope dargestellt werden. Insbesondere sind die Ökologischen Flutungen auch nicht erforderlich, um die Waldflächen auf einen Retentionseinsatz vorzubereiten. Stattdessen würden auch die Wasserqualität im Fermasee verschlechtert und wertvolle Tier- und Pflanzenbestände vernichtet.

Weiterhin beharrt die Stadt Rheinstetten darauf, dass der Bau der geplanten Hochwasserschutzanlagen in Form von Deichen ein in vielfacher Hinsicht unzumutbarer Eingriff sei und die Bauzeit unzumutbar um mindestens zwei Jahre im Vergleich zu der am Rheinhochwasserdamm von der Stadt Rheinstetten vorgeschlagenen Spundwand verlängert. Die vom früheren Rheinstettener Baubürgermeister Dr. Bertold Treiber vorgeschlagene Bauweise erzeuge wesentlich weniger baubedingte Störungen als die Variante des Landes. Allein die Materialtransporte durch Lastwagen, die den Aushub transportierten, würden um rund 90 Prozent reduziert und damit auch die Belästigung der Bevölkerung mit Staub und Dreck. Vor allem aber werde dadurch vermieden, dass rund zehn Hektar Wald gerodet werden müssen.

Andreas Rottner (CDU) schloss sich für seine Fraktion uneingeschränkt der Klagebegründung an. Gerhard Bauer (SPD) hatte schon zuvor kundgetan, dass der Ortschaftsrat Neuburgweier sich vollumfänglich anschließt. Das Gleiche gelte für die SPD-Fraktion. Babette Schulz (Grüne) begründete die Ablehnung mit dem Hinweis, dass das Land der Stadt Rheinstetten schon entgegengekommen sei und das Planwerk einen tragfähigen Kompromiss darstelle. Nach einem jahrzehntelangen Ringen um die besten Lösungen gehe es jetzt um zügigen Hochwasserschutz und neue Chancen für den Natur- und Artenschutz. Ihre Fraktion wie auch Naturschutzverbände und renommierte Experten wie Professor Dister bewerteten das Ergebnis der Planfeststellung anders. Michael Ganßmann (ULR) sah die Klage als berechtigt, weil die Interessen der Stadt Rheinstetten nicht berücksichtigt würden. Otto Deck (BfR) zeigte sich ökologischen Flutungen gegenüber nicht grundsätzlich abgeneigt. Dennoch befürwortete er die Klage.(m.f.G.d.BNN)


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