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8. Erklärung des Oberbürgermeisters Sebastian Schrempp zur aktuellen Lage

| Corona-Erklärungen-OB


Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

Passbild Oberbürgermeister Sebastian Schrempp

bereits Anfang März haben wir uns im Verwaltungsstab mit möglichen Szenarien befasst, die durch das neuartige Corona-Virus auf Rheinstetten zukommen können. Und dann ging alles rasend schnell. In einer bisher unbekannten Geschwindigkeit sind Maßnahmen über uns hereingebrochen, die dabei helfen sollen, die Ausbreitung dieses Virus zu verlangsamen und im besten Falle zum Erliegen zu bringen. Wir haben eine in der Geschichte beispiellose Einschränkung des öffentlichen Lebens herbeigeführt, indem Spielplätze, Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder, Sporthallen, Museen und Bibliotheken geschlossen wurden. Ebenso beispiellos ist das Herunterfahren der Wirtschaft mit dem Einzelhandel, der Gastronomie, der körpernahen Dienstleistungen und von ganzen Fabriken. Kirchen und Vereine haben ihre Arbeit eingestellt, die privaten Kontakte sind auf ein Minimum reduziert worden. Abstand halten und Menschenansammlungen zu meiden, das war und ist noch immer das Gebot der Stunde. Sicher, die meisten Maßnahmen sind durch Entscheidungen unserer Bundeskanzlerin und unseres Ministerpräsidenten in Rheinstetten umgesetzt worden, aber auch ich habe Entscheidungen getroffen, die unser Miteinander stark einschränken.

Wir haben gemeinsam eines geschafft: Die Ausbreitung des Virus hat sich deutlich verlangsamt, die Fälle im Landkreis Karlsruhe sind derzeit stark rückläufig. Hierfür bin ich allen, die tatkräftig dazu beigetragen haben, von Herzen dankbar. Ich weiß, wie schmerzhaft es sein kann, wenn Enkelkinder und Großeltern über Wochen voneinander Abstand halten sollen, wenn nicht einmal  Kinder ihre eigenen Eltern in Pflegeheimen besuchen können, wenn von Spielplätzen eine gespenstische Ruhe ausgeht und Menschen einander nicht besuchen können. Der erste Mai war wieder so ein Tag, der mir offenbarte: Wir leben von unserer Gemeinschaft, vom geselligen Treiben in unseren Vereinen, Kirchen und der Gastronomie. Wir brauchen den direkten Austausch mit unseren Nachbarn, den Schulkameraden, den Freunden in den Kindergärten, den Spielenachmittag für Senioren. Wir brauchen die Emotionen am Rand des Sportplatzes, Aktivitäten in der Gemeinschaft, das Gefühl, einem Menschen etwas ins Ohr flüstern zu können. Vertrautheit, Nähe. Das alles lässt sich nicht durch Telefonate und die Kommunikation über das Internet ersetzen.

Umso wichtiger ist es daher, dass wir nun Wege aufgezeigt bekommen und uns gemeinsam erarbeiten, wie wir uns zusammen auch wieder aus diesem Zustand der vollständigen Distanz herausarbeiten und Schritt für Schritt an die Normalität herantasten können. Das ist gewiss nicht einfach, denn die letzten Wochen haben bei vielen Menschen auch Unsicherheiten und Ängste hervorgerufen. Auch bei mir. Wie verhalte ich mich nun im öffentlichen Raum? Wie nahe darf ich jetzt noch den Menschen kommen, ohne dass diese sich bedrängt fühlen? Kann ich meiner Arbeit wieder nachgehen oder bin ich dann gefährdet zu erkranken? Was ist mit Bus und Bahn, wie ist das in der Schule und im Kindergarten? Wer schützt mich als Arbeitnehmer/in, wenn ich Angst habe, in meinem Beruf zu arbeiten? Das sind berechtigte Fragen, deren abschließende Antwort noch immer gesucht wird. Wir müssen uns nun Mut zusprechen und Schritt für Schritt wieder Normalität wagen. Und wir müssen dabei die Unsicherheiten und Ängste der Menschen respektieren.

Wir alle sehnen uns nach Normalität. Normalität sollte dort erlaubt sein, wo Normalität möglich ist. Und genau das ist der Punkt, an dem sich derzeit politische Debatten entfachen. Welche Normalität ist verantwortbar? Bundesligafußball oder Öffnung der Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder? Ist das Öffnen der Gastronomie und des Beherbergungsgewerbes vertretbar? Das wird heute niemand abschließend beantworten können. Genauso wenig, wie niemand beantworten kann, ob alle Maßnahmen, Gebote und Verbote angebracht waren. Es ist ein grundsätzliches Dilemma: Wir werden nicht sehen können, welche Folgen für die Volksgesundheit ohne diese Maßnahmen eingetreten wären. Aber wir können dankbar sein, dass die Anfang März aufgezeigten düsteren Szenarien nicht eingetreten sind.

Zu diesem Zeitpunkt gab es Politiker, die angesichts der unklaren Lage mutig waren, schnelle Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen. Und zwar Entscheidungen von einmaliger Tragweite für unser Land, wobei die Bundesregierung und die Landesregierung bei Einführung der vielen Gebote und Verbote stets betont haben, dass diese nach Lage des Infektionsgeschehens angepasst werden. Und genau das erwarte ich nun auch von der Politik in Bund und Land. Der Lage angepasste Entscheidungen auf dem Weg hin zur Normalität. Sachlich und ohne einen Wettkampf darüber, wer die größten Lockerungen fordert. Aber auch ohne ein reflexartiges Heraufbeschwören der zweiten Welle, sobald die Menschen über die Öffnung von bisher nicht beachteten Bereichen diskutieren wollen. Dass wir auf dem Weg zur Normalität Schritt für Schritt vorgehen, ist mir verständlich. Dass wir in der Diskussion allerdings den Eindruck erwecken, als wäre die Lage nur in den Griff zu bekommen, wenn wir unsere Kinder möglichst lange zu Hause und nicht in die Schulen und Kindergärten lassen, das ist mir nicht verständlich. Nein, Kinder sind nicht Auslöser dieser Pandemie und Kinder haben das Virus auch nicht auf der Welt oder innerhalb Deutschland verbreitet. Das waren wir Erwachsenen. Diese Verknüpfung von Lockerungsdiskussion in vielen Bereichen bei gleichzeitiger Diskussion der Verlängerung der Kindergartenschließungen geht zu Lasten unserer Kinder. Und der Familien. Diese sind in den letzten Wochen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vielfach an ihre Grenzen - und leider auch darüber hinaus - gekommen. Hier fordere endlich klare Aussagen und eine ähnlich faire Risikoabschätzung von Bund und Land ein, wie es in anderen Bereichen auch möglich ist. Ich fordere somit auch Verlässlichkeit für unsere Kinder und Familien.

Gleiches wünsche ich mir für den stark gebeutelten Bereich der Gastronomie in unserer Stadt und für die vielen Dienstleistungen, die noch geschlossen haben müssen. Obwohl auch hier Hygienestandards und Abstandsregeln eingehalten werden können - gerade jetzt, wenn es wieder wärmer wird und Außenbereiche nutzbar sind. Andererseits habe ich Verständnis, dass wir nun Schritt für Schritt vorgehen, damit die Entscheider das Infektionsgeschehen beobachten können. Wenn ich ehrlich bin, so muss ich eingestehen, dass ich froh bin, nicht all diese Entscheidungen treffen zu müssen.

Unser Ehrenamt in den Vereinen und Kirchen will ich nicht vergessen. Während die Kirchen bereits weitreichende Lockerungen erfahren durften, leiden unsere Vereine noch sehr unter dem Ausübungsverbot. Als alter "Vereinsmeier" schmerzt mich der Stillstand sehr, bin ich mir der fehlenden Jugend- und Altenarbeit in diesem Bereich bewusst. Danke an alle, die aus der Ferne weiterhin Kontakt zu ihren Mitgliedern halten. Es wird die Zeit kommen, in der wir in unseren Vereinen wieder Werte vermitteln und Gemeinschaft pflegen können. Auf dem Sportplatz, im Proberaum, am Stammtisch, bei gemeinsamen Ausflügen. Halten wir durch, bis die Normalität wieder Alltag wird.

Wir in Rheinstetten werden auch einen Schritt zur Normalität beitragen, indem wir unsere 3. Allgemeinverfügung mit dem Verweilverbot an unseren Seen und am Rheinufer zum 15. Mai aufheben. Diese Entscheidung zur Aufhebung treffen wir auf der Grundlage des Infektionsgeschehens in unserer Region. Ich traue Ihnen zu, dass Sie sich auch an unseren Seen und am Rheinufer an die geltenden Abstände halten und weiterhin gemeinsam dazu beitragen, die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus noch weiter einzudämmen.

Bleiben Sie gesund und seien wir alle mutig aber vorsichtig auf dem Weg zurück in die "Normalität". Ich bin zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird.

Herzliche Grüße,

Sebastian Schrempp


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